Wenn man den Namen »Hanse Stube« hört, denkt man automatisch an eine eher bodenständige Küche, die sich vor allem auf traditionelle Gerichte fokussiert. Als wir im Vorfeld dann allerdings einen Blick in die Speisekarte werfen, wird uns klar, dass wir einen kulinarisch spannenden Abend vor uns haben. Joschua Tepner ist der Küchenchef der »Hanse Stube« und obwohl er gerade einmal 33 Jahre alt ist, hat er bereits eine Menge in seiner Berufslaufbahn erlebt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sein Herz für das »Excelsior Hotel Ernst« und die »Hanse Stube« schlägt, denn nachdem er 2013 für vier Jahre als stellvertretender Küchenchef hier war und anschließend von Station zu Station tingelte, aber nie glücklich war, ist er im September vergangenen Jahres als Küchenchef zurückgekommen. »Die Stammgäste von damals waren total froh, dass ich wieder da bin. Manche sind sogar zwischenzeitlich gar nicht mehr gekommen. Das macht mich schon ein bisschen stolz«, gibt der Vater eines Sohnes zu, als wir im Anschluss an ein grandioses 7-Gänge-Menü gemeinsam das Dessert mit ihm genießen.
Gemütliches Restaurant mit Überraschungseffekt
Aber nochmal ganz von vorn: Die »Hanse Stube« ist ein edles mit Mahagoniholz vertäfeltes Restaurant und bietet überall kleine Nischen, die Gemütlichkeit ausstrahlen. Auch Séparées für privatere Feiern stehen zur Verfügung. Wir bekommen einen großen runden Tisch am Ende des Raumes und haben einen wunderbaren Blick auf das ganze Restaurant. Zum Einstieg lassen wir es uns gleich gutgehen und genießen je ein Glas Ruinart Rosé und Blanc de Blancs. Dazu gibt es frisches Brot, Rote-Bete-Butter, gesalzene Butter und gelbe Paprikacrème als Appetizer. Der kleine Gruß aus der Küche erfrischt uns dann aufs Beste: Lachstatar in Gurkensud, dazu Limettensorbet und Gurken-Gel.
Perfekter Einstieg ins Menü
Als erster von acht Gängen, die Joschua Tepner für uns ausgesucht hat, folgt eine geschmorte Aubergine mit Perlzwiebeln, eingelegten Stockschwämmchen und gepopptem Buchweizen in einer Brunnenkresse-Emulsion. Die frische Säure weckt auch die letzte Geschmacksknospe. Hier geht es zum Rezept! Der dazu gereichte Wein ist ein 2019er Rosé vom Gut Oggau. Es handelt sich um einen Naturwein, der mit feiner Frucht und angenehmer Süße den Gang verlängert, wenn nicht sogar geschmacklich erweitert. Als zweiter Gang folgt ein Feuerwerk für Augen und Gaumen. Hinter diesem farbenfrohen Teller verbirgt sich geflämmte Makrele, zarter Oktopus, geräucherte Wassermelone, Safrancréme und ein intensiver Spitzpaprikasud. Getoppt wird das Gericht von einem knusprigen Tapioka-Chip mit Safran. Was für ein besonderer Auftakt! Sommelier Robert Demers serviert dazu den 2018er Pinot Gris Nature R vom Weingut Seckinger. »Eigentlich war der ausschließlich für ein Hotel in München vorgesehen, aber über einen Freund konnte ich zwei Kisten davon bekommen«, sagt er nicht ohne Stolz und wir freuen uns über diesen exquisiten Tropfen.
Eine kleine Hommage an die Heimat bildet die Kartoffel-Lauch-Suppe mit Krabben, Kräuteröl und Speckcrumble. Die Suppe wurde kalt serviert, hätte aber gut ein bisschen Zimmertemperatur vertragen können. So wären die einzelnen Aromen ein bisschen besser zum Tragen gekommen. Geschmacklich trotzdem gelungen und der Sauvignon Blanc vom Weingut Tement hält mit der kräftigen Suppe mit.
Großartiger zweiter Akt
Der vierte Gang ist ein geheimer Klassiker von Joschua Tepner. »Die Teigtasche bleibt immer auf der Karte, auch wenn wir die Komponenten ab und zu verändern«, verrät er. Auf dem Teller finden wir eine gefüllte hervorragend hergestellte Teigtasche mit gebratenen Steinpilzen, geräuchertem Hüttenkäse und kandierten Walnüssen. Ein absolutes Gedicht und die weiße Cuvée von Kalk und Kiesel setzt mit einer präsenten Säure einen eleganten Gegenpol. Bei Gang Nummer fünf kommen erneut heimische Nuancen zum Ausdruck: Zarter Steinbutt mit Pfifferlingen, eingelegten Kirschen aus dem eigenen Garten umrahmt von einem Sud aus gesalzenem Joghurt, mit Kräuteröl verfeinert kommt auf den Tisch. Hierzu gibt es einen 2016er Spätburgunder aus dem Hause Ziereisen. »Der ist zwar ein bisschen oldschool, aber wieder extrem im Trend«, erklärt Robert Demers. Das können wir bestätigen und freuen uns über diesen badischen Ausflug.
Als kleiner Aufheller vor dem spitzenmäßigen Hauptgang folgt ein exotisches Fruchtsorbet auf Brownie-Crumble. Das zartrosa gebratene Rinderfilet vom Tegernseer Weiderind mit fermentiertem Knoblauch, einem Allerlei von Karotte und Brokkoli an einer herrlich einreduzierten Sauce ist Genuss pur. Hier lag der Fokus ganz klar auf dem Fleisch und das ist absolut gelungen. Der gereichte Spanier Nunci Costero 2009, der 24 Monate auf französischem Barrique reift, ist ein vollmundiger Begleiter.
Der süße Abschluss
Den Abschluss bildet geschmorte Aprikose mit einer Quark-Yuzu-Créme, Mandel-Citrus-Crumble, Quark-Eis, Aprikosen-Eis, Basilikum-Eis und Chips von der Mandel. Dazu gibt es einen klassischen 2000er Colheita Tawny Port von Quinta do Noval. Und weil sich auch die Pâtisserie von ihrer besten Seite zeigen möchte, probieren wir noch die Pralinen aus eigener Herstellung: Haselnuss-Honig, Salzkaramell, Aprikose und Limette sind das Krönchen auf diesem kulinarisch äußerst gelungenen Abend.
Hotellerie ist seine Bestimmung
Bereits mit 16 Jahren beginnt Joschua Tepner seine Ausbildung im Schütting Bistro in Bremen, lernt alles von der Pike auf. Drei Jahre besteht sein Leben nur aus Arbeiten. Anschließend arbeitet er in Syke beim Italiener und lebt bei seinem Onkel. Er möchte Geld sparen, um nach Düsseldorf gehen zu können. Als es dann endlich soweit ist, schnuppert er im Interconti zum ersten Mal Hotellerie-Luft. Es folgt ein siebenmonatiger Aufenthalt in den USA und dann geht es für sechs Monate in den Breidenbacher Hof. Nach vier weiteren Stopps schien sein Hunger nach Veränderung endgültig gestillt. Aktuell richtet er seinen Blick auf die Entwicklung der »Hanse Stube«. »Ziel ist es, alte Gewohnheiten abzulegen und sich dabei nicht zu verlieren. Das Team muss glücklich sein und das schaffen wir nur, wenn wir nicht stehenbleiben«, findet Joschua Tepner.
Bewegung bringen die Stammgäste jeden Tag aufs Neue rein. »Wir haben etwa 60 Prozent Stammgäste und so hat sich eine besondere Beziehung zu ihnen entwickelt«, verrät der Küchenchef. Das Team macht einfach alles möglich. »Jeden Samstag kommt eine Dame zum Abendessen und bekommt ihren Kopfsalat mit Joghurtdressing und Mandarine. Das steht natürlich überhaupt nicht auf der Karte. Aber das macht die Hanse Stube aus. Wir haben schon Rouladen für zu Hause gemacht oder Geschnetzeltes mit Reis, weil das ein Gast gerne essen wollte. Ich könnte hunderte solcher Geschichten erzählen«, sagt er und freut sich. Für ihn sei das die perfekte Mischung aus Tradition und Innovation. Joschua Tepner hat seine Wirkungsstätte gefunden. Hier kann er sich einerseits auf hohem Niveau ausleben und gleichzeitig bodenständige Gerichte kochen, die den Gästen auf ganz andere Weise Freude bereiten.
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