Eine klassische Berufsbezeichnung wie »Koch« würde nicht einmal ansatzweise ausreichen, um die gesamte Bandbreite von Heiko Antoniewicz abzubilden. Ja, er ist gelernter Koch. Führt aber kein eigenes Restaurant und einen Stern hat er somit auch nicht. Vielmehr schreibt er ausgezeichnete Kochbücher, gibt Workshops und Seminare für Profis und Laien, ist als kulinarischer Berater in Europa und Asien gefragt und in der Branche absolut geschätzt. Nicht ohne Grund wurde er bereits viermal zum »Impulsgeber des Jahres« gewählt. »Das ist ein Branchenpreis und somit noch viel wertvoller als manch anderer Preis, wo jeder abstimmen kann«, findet der gebürtige Dortmunder, der heute in Werne lebt.
Seit 2007 führt der 54-Jährige die Antoniewicz GmbH und ist seitdem ständig unterwegs. Wir erwischen ihn zu unserem Interview mal vor Ort in seinen heiligen Hallen und er begrüßt uns in stylisher Hose mit knallbunt gemusterten Socken, Turnschuhen, einem leichten Wollpulli und seinem charakteristischen, bereits ergrauten Männerdutt. Sofort wird klar, warum er in der Gastrobranche so gefragt ist. Er strahlt absolute Ruhe aus und wirkt, als hätte er seine Mitte gefunden. Ein großer Vorteil in diesem oftmals stressigen Beruf. Das mag auf den ersten Blick etwas pathetisch klingen, doch bereits an diesem einen Nachmittag kann man diesen Spirit spüren.
Heavy Metal oder indische Mantren?
Auf die Frage, ob er esoterisch veranlagt sei, muss er kurz grinsen, antwortet dann aber: »Vielleicht ein bisschen, denn ich glaube schon an sowas wie Selbstheilungskräfte und innere Stärke. Wenn man etwas wirklich will, kann man das erreichen und ich versuche regelmäßig, bei mir zu bleiben. Die indischen Mantren von Deval Prema helfen dabei. Dort war ich mal auf einem Konzert und war völlig fasziniert. Sonst höre ich nämlich eher Heavy Metal«, sagt er und lacht. Aber auf den langen Fahrten, die er mitunter zu bewältigen hat, hört er keine Musik mehr. »Habe ich früher immer gemacht, aber dann habe ich gemerkt, wie sehr mich das angestrengt hat und seitdem lasse ich das eben. Ich telefoniere lieber mit Freunden, höre, was es Neues gibt und plaudere einfach. Geschäftliche Telefonate führe ich allerdings niemals von unterwegs. Das hat für mich etwas mit Respekt zu tun«, erklärt er.
Vorbild mit kleinen Schwächen
Seine Einstellung scheint Vorbildcharakter zu haben, denn Heiko Antoniewicz ist als Berater sehr gefragt. Er war häufig in Malaysia unterwegs und hat dort seine Liebe zu indischem und thailändischem Essen entdeckt. »Das Essen ist einfach wunderbar. Es ist mutig und wild. Aber ich kann auch gut und gerne viermal in der Woche Pizza essen«, sagt er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Und an einer Bratwurstbude komme ich auch nicht vorbei. Das ist meine große Schwäche, der ich aber nur zu gern nachgeben«, sagt er schmunzelnd. Und das ist auch in Ordnung, denn sonst scheint dieser Mann keinem Laster zu frönen. Keine Zigaretten, wenig Alkohol, Schokolade und anderem Süßkram kann er auch nichts abgewinnen. »Aber für einen saftigen Butterkuchen kann ich mich schon begeistern. Aber der muss durchtränkt sein mit dieser buttrigen Zuckerlösung. Dann ist er richtig lecker«, gesteht er.
Also Bratwurst und Butterkuchen. Trotzdem ziemlich bodenständig und zurückgenommen für jemanden, der in dieser Branche arbeitet und auch noch andauernd unterwegs ist. Auf die Frage, wie oft er denn eigentlich zu Hause sei, sagt er: »Naja, vielleicht ist es etwas eindrücklicher, wenn ich sage, dass ich den niedrigsten Beitrag für den Strom bezahle und jedes Jahr allerhand zurückbekomme«, verrät er. 200 Tage im Jahr sei er unterwegs. »Da kommen gut und gerne 60.000 Kilometer im Jahr zusammen. Denn wir haben ja keine eigene Küche oder sonstiges. Hier ist unser Büro und für alles andere sind wir eben unterwegs.«
Avocado und Pomelo vereint zu einem Starter der Extraklasse. Aus dem Buch »Vegetarisch – Green Glamour«.
Eine bewegte Vita
Seine erste Station als stellvertretender Küchenchef bekam er 1989 in der »Résidence« in Essen unter Berthold Bühler. Dort blieb er drei Jahre, bis er sich mit dem Cateringservice »Art Manger« selbstständig machte. Ende 1999 eröffnete er sein eigenes Restaurant und fand dann 2004 für sich heraus, dass ihm die Leidenschaft verloren gegangen war. »Ich wollte immer kreativ sein, forschen und Neues entwickeln und das konnte ich damit nicht mehr«, erinnert er sich. Und somit wechselte er 2004 als Küchendirektor zum Frankfurter Caterer Kofler & Company, wo er 2005 zum Staatsempfang in Berlin die Queen von England bekochte. »Das war ein total irres Erlebnis. Natürlich sind wir nicht mit der Queen in Kontakt gekommen, aber die ganzen Abläufe sind völlig verrückt. Alles ist ganz genau getaktet und wenn sich etwas zwei Minuten verzögert hätte, wären alle einfach aufgestanden und gegangen. Eine wahnsinnige Erfahrung, die ich nicht missen möchte«, gibt er zu.
Mit Ludwig Maurer verbindet Heiko Antoniewicz die Leidenschaft für Experimente und eine enge Freundschaft.
Bücherwurm mit klarer Haltung
2007 startete der Dortmunder in Werne seine Antoniewicz GmbH und widmet sich seitdem dem Schreiben von Büchern und seiner Beratertätigkeit sowie den Workshops und Seminaren. Und das nächste Buch ist schon in der Pipeline: »Aromakombinationen« soll den Mut zum Geschmack und zum Würzen fördern. Bekannt wurde Heiko Antoniewicz allerdings mit dem Thema Molekularküche. Er war einer der Vorreiter in Deutschland. Heute ist er außerdem für Sous-Vide und die Kombination neuer Aromen bekannt. Und das geht schon bei ganz kleinen Dingen los. »Viele vermissen in meiner Küche zum Beispiel Zwiebeln. Ich mag sie halt nicht so gern und vertrage sie oft auch nicht. Jetzt sagen manche: ›Koch‘ mal ein Gulasch ohne Zwiebeln‹. Dann sage ich: ›Klar, das mache ich und es wird bestens schmecken‹«, verspricht er dann.
Es geht auch komplett fleischlos. In seinem Buch »Vegetarisch – Green Glamour« hat er dieses Gericht aus Pastinake und Holzkohlesenf kreiert.
Solchen Kritikern blickt er ganz entspannt entgegen. »Es gibt manche, die es sich zum Sport gemacht haben, meine Bücher nach Fehlern zu durchsuchen und sie quasi zu zerpflücken. Das habe ich mir anfangs noch durchgelesen, doch mittlerweile prallt das an mir ab. Wer meine Bücher nicht mag, soll sie nicht kaufen und wer sie mag, erfreut sich hoffentlich daran. Ich bekomme von Köchen teilweise heute noch E-Mails, dass sie mein erstes Buch »Fingerfood« noch immer als Inspirationsquelle nutzen. Das ist doch wunderbar«, findet er und freut sich über diese Anerkennung und Wertschätzung.
Eine Kochsendung mit Folgen
Doch wie kam es eigentlich dazu, dass Heiko Antoniewicz sich für den Kochberuf begeistern konnte? Mit einer Mutter im Einzelhandel und einem Vater im Stahlkonzern bekam er zumindest von dieser Seite keine Präferenzen in die Wiege gelegt. »Bei uns gab es immer gute Hausmannskost. Aber meine Mutter erzählte mir mal, dass ich schon früh mit Töpfen und Pfannen gespielt habe und Maronen auf unterschiedliche Arten zubereitet habe«, sagt er. »Den ausschlaggebenden Punkt gab aber vermutlich Max Inzinger, der früher eine Kochsendung hatte. Er hat Löwenzahnsalat mit gebratener Hähnchenleber gemacht und ich fand das großartig. Ich war auch oft auf dem Bauernhof und habe die Nähe zu Tieren gesucht. Allerdings verstand ich auch schnell, was Nutztiere sind und fand eine ganzheitliche Verarbeitung des Tieres unabdingbar.«
Ente, Sellerie und Japanischer Zierapfel gehen hier in diesem Gericht eine besondere Verbindung ein. Aus dem Buch »Umami«.
Und auch die Tatsache, dass er früher für Freunde schon Apfelpfannkuchen gebacken hat, spricht für sich. Vollgepackt mit leckeren Sachen ging es dann vor den Fernseher. »Wir haben Dick & Doof geguckt oder Michel aus Lönneberga. Natürlich auch Pippi Langstrumpf. Soviel gab es damals ja nicht«, sagt er und lacht. »Und meinen orangefarbenen Kassettenrekorder habe ich geliebt. Da habe ich die unterschiedlichsten Songs abgespielt und war richtig stolz.«
Ohne Team geht es nicht
Eine wirklich bewegte Vita, die Heiko Antoniewicz zu demjenigen gemacht hat, der er heute ist. Ein Fels in der Brandung für die Einen, ein Anführer für die Anderen und ein begnadeter Koch und Autor für die meisten. Er übernimmt ganz selbstverständlich die Vorreiterrolle und hält auch Kritikern stand, die nichts mit ihm anzufangen wissen. Doch wenn man neue Wege gehen will, braucht man ab und zu eben eine Machete, um sich den Weg freizukämpfen. Ein Glück, dass er diesen Weg nicht alleine gehen muss, sondern mit seinem Team, bestehend aus Nathalie Münter (Büro), Jens Giese (Logistik) und Michael Heiseb (linke und rechte Hand). »Ohne diese Drei würde hier gar nichts laufen«, ist sich der 54-Jährige sicher.
Intensive Kirschtomaten mit Blauschimmelkäse und Safranfond ergeben eine Geschmacksexplosion im Mund. Aus dem Buch »Umami«.
Vegetarisch – Green Glamour
Heiko Antoniewicz‘ vegetarische Küche verbindet die geschmackliche Vielfalt pflanzlicher Produkte mit unterschiedlichen Techniken der Zubereitung, die das Zusammenspiel der Aromen nicht nur garantieren, sondern das Menü zu einem sinnlichen Genuss werden lassen. Sowohl für das Auge, als auch für den Gaumen. Sein Buch »Vegetarisch – Green Glamour« verspricht kreative vegetarische Gerichte, geeignet für Gastronomie und Partyservice, wartet aber auch mit vielen Inspirationen für den interessierten Hobbykoch auf. Erschienen im Matthaes Verlag, erhältlich für 74,90 Euro. ISBN 978-3-87515-425-2
Umami – Eine Geschmacksexplosion
Im Dezember 2018 war es an der Zeit, sich diesem fünften Geschmack zuzuwenden und zu zeigen, welches Potenzial in ihm steckt. Heiko Antoniewicz hat es gewagt – und herausgekommen ist das Kochbuch »Umami – Eine Geschmacksexplosion«. In mehr als 50 Rezepten beweist er, dass Umami in Verbindung mit unterschiedlichen Kochtechniken Speisen zu neuen Geschmackskomponenten und dem Gast zu neuen Geschmackserlebnissen verhilft. Erschienen im Tre Torri Verlag, erhältlich für 49,90 Euro. ISBN 978-3-96033-044-8
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