Die Veranstalter des Schleswig-Holstein Gourmet Festivals haben sich die Entscheidung nicht leicht gemacht: Soll das beliebte kulinarische Festival in diesen schwierigen Zeiten stattfinden oder nicht? Eine Gästebefragung im Vorfeld war dann eindeutig: »Mit überwältigender Mehrheit haben sich die Gäste für die Durchführung ausgesprochen«, sagte Klaus-Peter Willhöft, seit 29 Jahren Präsident des ältesten Gourmetfestivals in Deutschland. So feierte das Festival gestern einen gelungenen Auftakt in Timmendorfer Strand.

Lichtblick für die Gastronomie

Es war wie ein kleiner Befreiungsschlag, der ein bisschen Normalität brachte. Auch wenn die erforderlichen Hygienemaßnahmen einige Einschränkungen zur Folge hatten, so merkte man allen Gästen an, wie froh und glücklich sie waren. Traditionell fand die Auftaktgala zum 34. Schleswig-Holstein Gourmet Festival im »Maritim Seehotel« in Timmendorfer Strand statt. Zu Gast war der jüngst mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Koch Marco Müller. Sein Restaurant »Rutz« in Berlin steht seit Jahren für eine produktverliebte Küche, die sich ganzheitlich mit den verwendeten Lebensmitteln auseinandersetzt. Von der Entstehung bis zur Verarbeitung in der Küche. Als Gastgeber fungierte wie gewohnt Lutz Niemann aus der »Orangerie« mit seinem Küchenchef Thomas Lemke und Chef-Pâtissier Taro Bünemann. Als weiterer Gastkoch war Eicke Steinort vom »Hotel Wassersleben« in Harrislee mit an Bord. So entstand ein rundes 5-Gänge-Menü mit einem Amuse Bouche vorweg und zahlreichen Petit Fours zum Abschluss.

Vier Köche, sechs Gänge

Thomas Lemke stimmte mit seinem Räucheraalschaum und Meerrettich sowie einer Gänseleber- und Ratatouille-Praline auf den Abend ein. Ein Glas Champagner von Lanson begleitete den Auftakt. Es folgte der erste Gang von Lutz Niemann: Forellentatar mit Krabbe und Joghurt, gebettet in einem frischen Gurkensud. Begleitend gab es einen 2016er Riesling Nonnengarten Fass 48 vom VDP Weingut Clemens Busch an der Mosel. Der zweite Gang von Eicke Steinort entführte uns in den Wald. Ein kleiner Herbstgarten mit Pilzcrumble, Ziegenkäsebällchen, einem sahnigen Kürbiseis sowie Tupfen von Petersiliencrème war seine Hommage an die nordische Heimat. Der 2018er Sauvignon Blanc vom Weingut Skoff aus der Südsteiermark ergänzte das Gericht sehr passend.

Bevor es zum Hauptakt des Abends kam, zeigte Marco Müller in einem zuvor gefertigten Film, was er und sein Team sich bei dem Fisch-Gang gedacht haben und vor allem, wie der Dorsch in Kombu-Alge mit sauer eingelegter Holunderblüte und Emulsion von Brokkoli an Beurre blanc und Queller-Öl zubereitet wird. Hier stimmte wirklich alles, denn das feine Spiel mit der Säure beherrscht Marco Müller par excellence. So ging der butterzarte Dorsch, der bei 42 °C sous-vide gegart wurde, mit der cremigen Beurre blanc eine Liaison der Extraklasse ein und tanzte mit den gepickelten Holunderblüten und Brokkolistielen am Gaumen. Der dazu ausgewählte 2018er Silvaner Kugelspiel Erste Lage „Alte Reben“ vom Weingut Fürstlich Castell’sches Domänenamt konnte mit dem kräftigen Gericht allerdings nicht mithalten und wirkte eher belanglos als Begleiter, obgleich er für sich stehend eine gute Figur machte. Den Hauptgang bestritt erneut Lutz Niemann mit seinem Team: Lammrücken mit Auberginenpüree, Backkartoffel und einer mithilfe von Molekulartechniken gefertigten »Tomate«, die ein schönes Plopp im Mund verursachte. Der 2016er Château L’Etoile de Clotte unterstrich die kräftige Note der Sauce und bot ein vollmundiges Erlebnis.

Für einen fulminanten Abschluss in drei Akten zeichnete Taro Bünemann verantwortlich. Das Pre-Dessert überzeugte mit Sanddorn-Sorbet, Schokoladen-Stein mit flüssigem Kern, Marzipan in Seepferdchenform und Sanddorn-Gel. Seine Interpretation von Norddeutschland. Die eigenen Wurzeln präsentierte der in Göttingen geborene, aber in Japan aufgewachsene 32-Jährige dann im eigentlichen Dessert: Birne, Nougat, Cassis und gerösteter schwarzer Tee. Diese Beschreibung erfasst nicht annährend das, was sich auf dem Teller wirklich abspielte. Ein Carpaccio aus eingelegten Birnen bildete den Boden. Ein Würfel aus weißer Schokolade mit cremiger Vanille-Füllung, getoppt mit einem Karamell-Chip war eine weitere Komponente. Gefolgt von dem Schwarzer-Tee-Eis, das sich als Bitternote ideal von den süßen Komponenten abhob. Einige Tupfer Nougatcrème, Cassis-Gel, etwas Malto und ein kunstvolles Ahornblatt komplettierten das Dessert. Zahlreiche Petit Fours wie Macarons, flambierte Zitronenbaiser-Tarte, Marzipan-Nusstorte im Miniformat oder gelierte Grapefruit sind nur ein Auszug dessen. Der Dessertwein 2018er Rieslaner Auslese vom Weingut Leonard überzeugte mit einer feinen Säure. Das harmonierte äußerst gut mit dem geschmacklich üppigen und schokoladigen Dessert.

Jeder kann helfen

»Ich freue mich sehr, dass das Schleswig-Holstein Gourmet Festival stattfinden kann. Es war ein gelungener Auftakt und in diesen besonderen Zeiten ein Lichtblick«, resümierte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz und gab gleichzeitig zu bedenken: »Es ist aber auch wichtig, dass wir die Landgasthöfe nicht vergessen. Gerade im Binnenland kämpfen Gastronomie und Hotellerie ums Überleben. Wir als Regierung müssen Verantwortung tragen, das ist klar, aber so kann auch die Bevölkerung helfen, dass möglichst viele Betriebe diese Pandemie meistern.«

v. l. n. r.: Lutz Niemann, Taro Bünemann, Eicke Steinort, Klaus-Peter Willhöft, Dr. Bernd Buchholz, Marco Müller

Es gibt noch freie Plätze

Für das Schleswig-Holstein Gourmetfestival, das noch bis zum 15. März läuft, gibt es an einigen Standorten noch freie Plätze. Zum Beispiel bei »Fitschen am Dorfteich« auf Sylt. Der ehemalige 2-Sterne-Koch Tristan Brandt ist dort am 25. und 26. Oktober zu Gast und wird in der idyllischen Umgebung Wenningstedts französisches Flair verbreiten.

Termine und alle wichtigen Informationen finden Sie unter www.gourmetfestival.de

© FINESSE, Kim Schöffler / Maritim Seehotel / Eicke Steinort